Todesfall in Wohngemeinschaft: Systemänderung in Jugendhilfe ist dringend notwendig!
Multiorganversagen der Kärntner Jugendhilfe: Überforderte Betreuer, massive Mängel in Heimorganisation und Versagen der Aufsicht
„Vor einem Jahr starb die 16-jährige Serena in einer Wohngemeinschaft in Villach an einer fatalen Medikamenten-Kombination. Die für die Jugendhilfe zuständige SPÖ-Sozialreferentin LHStv. Beate Prettner bezeichnete die Tragödie als Einzelfall. Diese lapidare Erklärung führte dazu, dass sich die zuständigen Aufsichtsbehörden nicht mit den Hintergründen beschäftigt haben und zur Tagesordnung übergingen. Es wurden seitens des Landes keine Konsequenzen gezogen“, kritisiert heute der Kärntner FPÖ-Chef Klubobmann Mag. Gernot Darmann.
Erfreulicherweise scheine die Staatsanwaltschaft mittlerweile bestrebt, den Fall zu klären, nachdem die Ermittlungen in den ersten Monaten nach der Tragödie wenig intensiv betrieben wurden. „Aber es ist zu wenig, dass der Fall allein strafrechtlich aufgearbeitet wird“, so Darmann. Wenn man Mängel im System nicht erkennt, besteht die Gefahr, dass sich ein solch tragischer Fall wiederholt. Aus Sicht der FPÖ liegt ein Multiorganversagen der Kärntner Jugendhilfe vor.
Laut den Polizeiprotokollen haben mehrere Betreuer eingestanden, dass sie fachlich überfordert waren, um die Jugendlichen in der sozialpädagogischen Wohngemeinschaft adäquat begleiten zu können. „Seit Jahren unterlässt es LHStv. Beate Prettner eine Verordnung zu erlassen, welche Eignungsvoraussetzungen Betreuer erbringen müssen. Dieses Defizit zeigt auch die Volksanwaltschaft seit Jahren auf“, betont Darmann.
Wenn Betreuer angeben, dass sie mit den Jugendlichen regelmäßig geraucht haben, müsse man die Qualität der Erziehungsarbeit in Frage stellen. „Die medizinische Versorgung in der Einrichtung war nicht gewährleistet. Ein Mädchen klagte im März 2018 über Bauchschmerzen. Von Seiten der Betreuer wurde sie als Hypochonder eingestuft. Serena fuhr mit ihr nach Klagenfurt, wo sie im Krankenhaus am Blinddarm notoperiert werden musste“, nennt Darmann ein Beispiel.
Ein paar Monate später litt Serena unter massiven Schmerzen der Wirbelsäule. In der Wohngemeinschaft wurde es wieder verabsäumt, für eine adäquate fachärztliche und physiotherapeutische Behandlung Sorge zu tragen. „Die 16jährige war medizinisch unterversorgt und versuchte ihre Qualen durch rezeptpflichtige Schmerzmedikamente zu lindern. Dabei mixte sie Substanzen, was leider tödlich endete“, so Darmann. Niemanden von der Kärntner Jugendhilfe scheine sich dafür zu interessieren, wie einfach gefährliche Arzneimittel in eine Schutzeinrichtung gelangen. Die Einrichtung dürfe uneingeschränkt weiterarbeiten, kritisiert er. Offen bleibe die Frage, warum keiner Aufsichtsperson auffiel, dass die Tabletten im Zimmer der Jugendlichen offen herumlagen.
Zweifel an der Betreibergesellschaft „Contraste“ entstehen, wenn man den Ablauf der Tragödie betrachte. „Nach Auffinden der leblosen Serena dauerte es laut Zeugenaussagen 17 Minuten (!) bis der Notarzt gerufen wurde. Die zuständige Betreuungsperson sah sich veranlasst, vorher noch mit ihren Vorgesetzten zu telefonieren!“
Ein Mal pro Jahr wurde die Einrichtung von der Fachaufsicht des Landes kontrolliert. „Betreuer gaben vor der Polizei an, dass sie Tage vorher wussten, wann eine Überprüfung stattfindet. Dies obwohl LHStv. Prettner im Landtag behauptet hatte, dass alle Kontrollen unangemeldet erfolgen würden. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn bei der Visitation nichts bzw. nur Irrelevantes herauskommt“, so Darmann. Hier liege der Verdacht nahe, dass zwischen Aufsicht und privaten Betreibern ein Agreement bestehe.
Daher sei eine Strukturreform dringend notwendig. „Die Kontrolle muss eigenständig sein und aus der Jugendhilfebehörde ausgegliedert werden. Sie muss Überprüfungen ohne Voranmeldung und bei Bedarf mehr als ein Mal pro Jahr durchführen“, fordert der Kärntner FPÖ-Chef.
Völlig unverständlich ist für Darmann auch, dass sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft nicht um Aufklärung bemüht hat. „Da kommt ein Kind unter Aufsicht des Landes zu Tode, aber die obersten Schützer von Kinderrechten kümmert das nicht!“ Auch hier zeige sich der Systemfehler, dass die Jugendanwaltschaft nicht Teil jener Behörde sein sollte, die sie mit zu kontrollieren hat. Enttäuschend sei auch, dass Volksanwalt Günther Kräuter trotz eines Ersuchens des Vaters von Serena den Todesfall nicht überprüft hat.
„Unabhängig von den strafrechtlichen Ermittlungen besteht seitens des Landesgesetzgebers akuter Handlungsbedarf. Die Aufsicht der Jugendhilfe muss neu organisiert werden. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft gehört aus der Landesverwaltung ausgegliedert und wie der Landesrechnungshof dem Landtag zugeordnet. Die Anwaltschaft sollte auch die Möglichkeit haben, Kontrollen anzuordnen. Es ist so rasch wie möglich eine Verordnung zum Jugendhilfegesetz zu machen, in der ein erhöhtes Anforderungsprofil für Betreuer in sozialpädagogischen Wohngemeinschaften sowie eine regelmäßige fachärztliche Aufsicht verankert werden“, fordert Darmann abschließend.